Samstag, 26. Januar 2013

Elender Ignorant

[…]Denn unfühlend
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Über Bös und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen wie dem Besten
Der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg
Und ergreifen
Vorüber eilend
Einen um den andern.[…]

Goethe – Das Göttliche


„Die Natur ist ein elender Ignorant, Johnny-Boy!“, ruft Eddie mit seiner Schmirgelpapierstimme und erschreckt mich damit so sehr, dass ich mich an meiner Tütensuppe verschlucke und mich hustend über den Teller beuge.
„Was?“, frage ich heftig nach Luft schnappend.
„Die Natur ist ein Ignorant“, wiederholt er. „Und die Sonne das wohl gleichgültigste Wesen, von dem ich je gehört habe.“

Ich blinzle ein paar Mal ungläubig, ehe ich mir verwirrt durch die Haare fahre. „Die Sonne?“ Ich starre weiterhin auf meinen Teller, als ich das schabende Geräusch höre, mit dem sich Eddie einen Stuhl hervor zieht und sich darauf fallen lässt.
„Genau, die Sonne, Johnny-Boy, die Natur!“
„Und der Wind ein Pfeife rauchender alter Mann?“, murmle ich und stochere lustlos in der grauen Brühe. Nach Eddies plötzlichem Auftreten ist mir gehörig der Appetit vergangen, obwohl ich mich nach all den Jahren eigentlich daran gewöhnt haben sollte. Der Mensch ist schließlich ein Gewohnheitstier, sagt Eddie immer und klingt dabei so abwertend, als würde er über einen überlagerten Joghurt reden, auf dem sich bereits der Schimmel absetzt.
„Wie kommst du darauf?“, greife ich das Thema wieder auf, nachdem Eddie in bedrückendes Schweigen verfallen ist.

„Ein elender Ignorant“, murmelt er erneut und ich nicke ungeduldig, während ich mich tiefer in meinen Stuhl sinken lasse. Nach seinem Unfall ist Eddie das erste Mal verschwunden und erst Jahre später Stück für Stück zurückgekommen – nie ganz greifbar und sein Loch, in dem er sich regelmäßig verkriecht wie einen Sack Kartoffeln hinter sich her schleppend. Seit dem kommt er mit den verrücktesten Ideen an und seine Gedanken springen so schnell von einer Ecke in die nächste, dass ich noch mehr Probleme als früher habe, ihm zu folgen.

„Sie scheint für jeden – egal ob gut oder böse.“ Er macht eine kleine Pause, in der unruhig mit den Finger auf die Tischplatte tippt, wodurch ein klackendes Geräusch entsteht, das mich an das Klappern von Pferdehufen aus einem Trickfilm erinnert. „Die Sonne lacht einen Mörder genauso an, wie ein kleines Kind, Johnny-Boy. Sie macht keine Unterschiede.“ Eddie amtet geräuschvoll ein und aus und sein Gürtel schabt über das Holz, als er auf seinem Stuhl hin und her rutscht. „Macht sie einfach nicht. Das hat schon Goethe erkannt.“

Ich verharre einige Sekunden schweigend auf meinem Platz, ehe ich den Teller endgültig beiseite schiebe und die gegenüberliegende Wand angrinse. „Du klingst, als hättest du gekifft“, kichere ich und komme mir bei dieser Vorstellung ein wenig schuldig vor. Das Schlimmste, das ich je verbrochen habe, war der Diebstahl von zwei Nüssen aus dem Supermarkt. Ich habe sie einfach in meine Tasche fallen lassen und bin mit hochroten Ohren wieder auf den Parkplatz gerannt. (Das und die nächtlichen Besuche mit Eddie auf dem Rummelplatz) Danach hatte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen und habe die Nüsse am nächstens Tag wieder zurück gebracht. Eddie sagt immer, ich wäre zu gut für diese Welt.
„Du weißt vermutlich nicht mal, wie man das schreibt.“ Sein belustigtes Schnauben dringt etwas verspätet an meine Ohren und erst der leichte Windhauch, der entsteht, als Eddie mit seinen Armen durch die Luft fuchtelt, schafft es, mich komplett in die Gegenwart zurückzuholen.

Wir schweigen einige Minuten, in denen Eddie wieder unruhig auf die Tischplatte klopft und ich angestrengt in meine mittlerweile kalte Suppe starre. ’Vielleicht kann ich sie ja nur durch Gedankenkraft zum Kochen bringen’, schießt es mir durch den Kopf.
„Wo warst du?“, frage ich unvermittelt.

Eddie stöhnt genervt und klingt wie ein schnaubendes Tier, als er die Luft durch die Nase bläst. Dieses Schnauben, bei dem er früher immer die Augen verdreht hat und die Lippen zu einem Lächeln verzog, das nicht anderes sagte als ’Wie kann man nur so blöd sein?’ und ich bin mir sicher, dass er mir gerade dieses Lächeln zuteil kommen lässt.
„Diese Diskussion führen wir jedes Mal, Johnny-Boy“, sagt Eddie und klingt dabei überraschend ernst.

„Wenn du mir ein Mal eine vernünftige Antwort geben würdest, müssten wir das nicht.“ Ich merke selbst, dass ich bei diesen Worten wie ein bockiges Kind klinge und das Grinsen, das ich deutlich aus Eddies Stimme heraushören kann, bestätigt mich in dieser Annahme.
„Du schaffst das schon alleine, Johnny-Boy“, sagt Eddie. „Oder hast du etwa solche Sehnsucht nach mir?“

Meine Antwort besteht aus einem Grunzen, das alles und nichts zugleich bedeuten könnte und ich verschränke beleidigt die Arme vor der Brust. Mein Gesicht drehe ich demonstrativ in die entgegengesetzte Richtung. Als Eddie neben mir lacht, klingt es wie das Scheppern von Blechdosen und ich zucke bei diesem ungewohnten Laut zusammen.
„Weißt du, Johnny-Boy, du solltest nicht dein ganzes Leben damit verschwenden, nach Dingen zu schreien, die du eh nie bekommen wirst.“

Ich ziehe verwirrt meine Augenbrauen zusammen und neige den Kopf zur rechten Seite, als ich Eddie frage, was er mir damit sagen will.
„Ist nicht so wichtig, Johnny-Boy“, antwortet er und spricht mit mir, als würde er einem kleinen Kind erklären, wie es seine Schnürsenkel zubinden muss. „Überleg dir lieber was wir jetzt machen.“
Ich zucke unschlüssig mit den Schultern und mache mich daran, meinen Teller wegzuräumen. Zum Essen werde ich jetzt wohl eh nicht mehr kommen. Wenn Eddie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, hält ihn nichts davon ab und alles andere hat gefälligst zu warten.

„Ach, du bist auch zu nichts zu gebrauchen“, ächzt er und ruckelt unruhig auf seinen Stuhl hin und her. „Komm schon! Mir ist langweilig, Johnny-Boy!“
„Hau doch einfach wieder ab!“, zische ich und der Teller landet mit einem lauten Scheppern und der Spüle. „Da scheint’s dir ja so gut zu gefallen!“ Mir ist klar, dass meine Reaktion ziemlich übertrieben ist, aber sein ständiges Verschwinden kommt mir wie eine Mauer vor, die er zwischen uns aufgebaut hat. (Es liegt wie ein Berg verfaultes Fleisch zwischen uns) Und ich habe keine Chance sie zu überwinden.
Eddie seufzt übertrieben laut, ehe er ebenfalls aufsteht. Ich stehe weiterhin mit dem Rücken zu ihm und starre angestrengt auf den Abfluss.

„Du willst mitkommen.“ Es ist eine Feststellung, keine Frage, was ich als Anlass dazu nehme, ihm eine Antwort zu verweigern. Eddie scheint das nicht zu stören und er spricht einfach weiter, während ich seinen festen Schritt hören kann, als er durch die kleine Küche marschiert.
„Es würde dir dort nicht gefallen.“
„Warum?“
Eddie stöhnt erneut und schweigt danach einige Sekunden, in denen er weiter durch den Raum stapft. „Sieh mich an“, meint er schließlich und ich spanne mich augenblicklich an.
Mit zusammengekniffenen Zähnen schüttle ich meinen Kopf  und umfasse den Rand der Spüle so fest, dass meine Knöchel weiß hervor treten. Eddie macht keine Anstalten, mich zu einer Antwort zu drängen, sondern wartet geduldig auf meine Reaktion. Ein leises Wimmern kriecht über meine Lippen, als ich den Mund öffne und ich muss ein paar Mal durchatmen, ehe ich einen vernünftigen Satz zustande bringe. „Ich kann nicht.“

„Ich weiß, Johnny-Boy“, sagt Eddie mit weicher Stimme und ich kann mir sein Lächeln, das er mir dabei schenkt, deutlich spüren. Ein warmes Lächeln ohne Sarkasmus und diesen herablassenden Ausdruck. „Und genau deshalb würde es dir dort nicht gefallen.“

Ich lasse betreten die Schultern hängen und lockere meinen Griff um die Spüle, ehe ich die Augen wieder öffne und mich langsam wieder zu Eddie umdrehe.
„Ich fänd’s wirklich schön, wenn du ganz aus deinem Loch kommen würdest“, murmle ich und schlage meine Augen nieder.
„Hör auf, nach Dingen zu suchen, die du nicht bekommen kannst“, wiederholt Eddie und seine Sohlen klacken erneut auf den Fließen, als er sich wieder in Bewegung setzt. „Und jetzt nimm deine Sachen, Johnny-Boy! Wir gehen jetzt raus und haben Spaß!“

Als er sein schepperndes Lachen ausstößt, geht ein Ruck durch meinen Körper und ich stoße mich von der Spüle ab. Mit hängenden Schultern trotte ich Eddie hinterher und kaue abwesend auf meiner Unterlippe.
„Wir zeigen der Sonne, was wir von ihrer Gleichgültigkeit halten!“, ruft er. Durch die Tür klingt seine Stimme gedämpft, sodass ich mir nicht sicher bin, ob ich mir den drohenden Unterton zu einbilde.




Wie bereits angedroht, geht's mit Eddie und Johnny weiter. (Die zwei haben's mir irgendwie angetan)
Ich versuche, aus den beiden etwas Ganzes zu machen und habe sogar schon einen halben Plot zusammen. So mit Vergangenheit und diesem ganzen Zeug (Nur eine wirkliche Handlung fehlt noch)
Außerdem: Neue CDs! (Und ich bin tatsächlich mal dazu gekommen, die alle zu sortieren und an einen Platz zu stellen. Sonst schwirren sie immer durch das gesamte Zimmer und ich bin ständig am suchen)



Und ich entschuldige mich für diesen fetten Rahmen. Aber scheinbar bin ich einfach zu blöd, um den zu entfernen :D

Samstag, 19. Januar 2013

Wandelnder Widerspruch

Der Mensch wandelt am Abgrund einer Welt, die er, bei dem Versuch sie und sich selbst zu retten, immer mehr zu Grunde richtet.
Er ist ein wandelnder Widerspruch – irgendwo zwischen Wahnsinn und Vernunft in seinem eigenen Kopf gefangen – und bremst sich selbst aus, während er immer höher, immer weiter und immer mehr will.
Der Mensch ist Freund und Feind, Sieger und Verlierer und liebt und hasst im selben Atemzug.
Gleichgültig wird auf Andere gesehen, während brav Interesse geheuchelt wird und die Frage, welchen Joghurt man am nächsten Morgen essen möchte, weitaus wichtiger ist, als die nette alte Dame von nebenan, die man schon seit zwei Wochen nicht mehr gesehen hat.
Der Mensch ist unfähig für seine eigene Ignoranz und Einfältigkeit Verantwortung zu übernehmen, halst sich aber immer mehr auf und erstickt allmählich an dieser Last, die ihn immer mehr zu Boden drückt. (Vielleicht zerquetscht sie ihn auch und seine Gedanken, Träume und Gefühle klatschen neben seinen Gedärmen auf den Boden, während sich sein Blut waghalsig einen Weg durch diese Brühe sucht.)
Der Mensch sitzt auf seinem Thron und blickt auf die armseligen Gestalten, die sich vor seinen Füßen stapeln und vergisst dabei, dass er einst aus demselben Loch gekrochen kam. Seine Welt ist schwarz und weiß, Farben werden ignoriert oder übermalt, bis nicht mehr als ein grauer Einheitsbrei übrig bleibt.

Wir sind kurz vor grau und irgendwann wird auch das letzte lächelnde Gesicht an dieser Gleichgültigkeit zu Grunde gehen.


Eine Aufgabe für den Deutschunterricht, in der wir beschreiben sollten, wie wir den Menschen heute sehen.
Da ich eine absolute Niete darin bin, auf Kommando und zu einem bestimmten Thema zu schreiben, hab' ich einfach mal geguckt, wie viel man jeweils aus einzelnen Sätzen spinnen kann. (Nur, falls jemandem einige Zeilen bekannt vorkommen) Hier und da etwas dazu geschrieben, Teile weggelassen und schon passt's zu einem ganz anderen Thema.
Werde ich aber nicht so oft machen, irgendwie komisch, einige Formlulierungen mehrmals zu verwenden.
(Mein Kopf lässt mich wieder an den Pc!)

Freitag, 4. Januar 2013

Hello stranger, I'm a disaster

Eddie hat sich irgendwo versteckt, wo ich ihn nicht sehen kann – irgendwo im Dunkeln dieser verrottenden Stadt, die jeden Tag ein wenig mehr stirbt. Eddie behauptet immer, sie würde sich abends ins Bett legen und, wenn sie am nächsten Morgen wieder die Augen öffne, stünde sie etwas gestorbener auf als am Tag zuvor. Ich habe nie verstanden, warum er eine Stadt wie ein lebendiges Wesen behandelt.
„Rechts, Johnny-Boy“, sagt er und unterbricht mich somit in meinem Gedankengang. Seit seinem Unfall klingt seine Stimme irgendwie kratzig. Sie erinnert mich an das Geräusch, das entsteht, wenn man mit Schmirgelpapier über eine Fensterscheibe schabt – seine Stimmbänder müssen genauso zerfurcht aussehen, wie das Glas.
„Das andere Rechts, Idiot“, schnauzt mich Eddie an und ich kann sein genervtes Aufstöhnen deutlich hören, als ich mich verwirrt in der Gegend umsehe. „Rechts, Johnny-Boy, die Hand, die du auch zum Wichsen nimmst!“
„Sag das doch nicht so laut“, flüstere ich, nachdem mir seine Worte die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben und werfe meinen Kopf von einer Seite zur anderen, um zu gucken, ob uns jemand gehört haben könnte. Als ich niemanden ausmachen kann, stapfe ich missmutig in die Richtung, in die Eddie mich geschickt hat und frage beiläufig: „Was machen wir eigentlich hier?“
„Spaß haben“, antwortet er. „Hörst du mir denn nie zu?“ Sein letzter Satz soll anklagend klingen, jedoch kann ich das Grinsen deutlich aus seiner Stimme heraushören. Eddie zieht mich immer damit auf, dass ich mich nicht lange auf eine Sache konzentrieren kann und sofort das Interesse verliere, wenn etwas Anderes nach meiner Aufmerksamkeit verlangt.
„Okay“, sage ich und ignoriere seine Frage vollkommen. „Aber kannst du nicht wenigstens aus deinem Loch kommen? Ich fühl’ mich, als würde ich mit mir selbst reden.“
„Hab dich nicht so!“, zischt er und damit ist das Thema für ihn erledigt. Ich grummle ein paar Verwünschungen vor mich hin und ziehe mir meine Jacke enger um die Schultern.
Dass er ausgerechnet bei diesem Wetter auf solche beschissenen Ideen kommen muss.
Bevor weitere Flüche meine Lippen verlassen können, ertönt Eddies aufgeregte Stimme irgendwo in meiner Nähe. „Da ist es, Johnny-Boy!“ Er klingt wie ein kleines Kind an Heiligabend, das zum ersten Mal den Berg an Geschenken wirklich wahrnehmen kann und über beide Ohren strahlt. Seine Augen glitzern bestimmt genauso erregt und in seinem Lächeln lag schon damals etwas göttlich kindliches, das ihn nicht mehr länger wie einen alten Griesgram aussehen ließ.
„Hör auf zu träumen!“, sagt er und ich weiß, dass er mir am liebsten einen Klaps auf den Hinterkopf verpassen würde.
„Ist ja schon gut“, murre ich und sehe mich neugierig um. „Und was genau ist hier?“
Ich kann das Klatschen hören, als sich Eddie mit seiner Handfläche gegen die Stirn schlägt und geräuschvoll ausatmet. „Da hinten, Dummkopf. Heb deinen Kopf und mach die Augen auf!“
Ich gehorche, brauche jedoch einige Sekunden, um in dieser Dunkelheit irgendetwas zu erkennen, in denen ich Eddies unruhigen Schritt hinter mir hören kann. „Wie kann man nur so blind sein?“, murmelt er dabei.
Ich ignoriere ihn und starre weiterhin in die Nacht, bis ich den Umriss eines kleinen Häuschens ausmachen kann. Als ich näher herantrete, kann ich ein Schild erkennen, auf dem in verschnörkelter Schrift die Worte Herzlich Willkommen prangen. Ich gehe noch ein paar Schritte weiter und erhasche einen kurzen Blick auf das, was hinter dem großen Zaun liegt – verborgen hinter einer Menge Grünzeug.
„Ein Rummelplatz?“, frage ich ungläubig, bleibe jedoch nicht stehen.
„Ja“, haucht Eddie hinter mir und klingt dabei glücklicher als jemals zuvor. „Erinnerst du dich noch? Da haben wir früher immer gespielt. Deine Eltern sind immer völlig ausgerastet, wenn du dann viel zu spät und völlig verdreckt nach Hause gekommen bist, Johnny-Boy.“ Er lacht leise und auch auf mein Gesicht schleicht sich nun ein leichtes Lächeln. „Ja“, antworte ich. „War schon klasse.“

Wir bleiben einige Minuten so stehen und starren schweigend auf den stillgelegten Park, ehe Eddies Stimme diese Ruhe durchbricht. „Also, wie sieht’s aus, Johnny-Boy? Kommst du mit?“
Auf mein Zögern hin, stößt Eddie wieder genervt die Luft aus und der Kies knirscht unter seinen Sohlen, als er ungeduldig von einen Fuß auf den anderen tritt. „Was ist denn dieses Mal das Problem?“
Ich schweige und kaue unsicher auf meiner Unterlippe. Eine Angewohnheit, die Eddie schon damals immer aufgeregt hat, auch wenn ich nie verstanden habe warum. Ihn hat generell ziemlich viel aufgeregt und manchmal denke ich, wir sind nur noch befreundet, weil ich einfach nicht dazu in der Lage bin, mich zu streiten. Eddie hat immer gesagt, ich wäre ein harmoniebedürftiges, naives Kind und wäre ohne ihn vermutlich verloren. Vielleicht hat er Recht.
„Wir waren da seit deinem Unfall nicht mehr“, sage ich leise und lasse für einen kurzen Augenblick von meiner Unterlippe ab.
„Na, dann wird’s ja Zeit“, antwortet Eddie und von seiner Ungeduld ist nichts mehr zu hören. „Hopp, hopp! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.“
Mit einem Nicken gebe ich mich geschlagen und marschiere auf den zugewachsenen Zaun zu. Als ich davor zum Stehen komme, rüttle ich probehalber an den Stäben und lasse danach betreten die Schultern hängen. „Is’ abgeschlossen.“
„Nein, wirklich?“, sagt Eddie sarkastisch. „Das wundert mich jetzt aber.“ Nach einer kleinen Pause, in der er erneut tief durchatmet spricht er weiter. „Wie blöd bist du eigentlich? Natürlich ist da abgeschlossen, war es doch auch damals schon. Wir gehen durch das Loch, Johnny-Boy.“ Ich nicke, auch wenn ich keine Ahnung habe, wovon er eigentlich spricht, was auch Eddie zu merken scheint, denn er versucht wieder, mich durch die Dunkelheit zu lotsen. „Rechts, Johnny-Boy. Die Hand, mit der du-“
„Ich weiß, ich weiß“, unterbreche ich ihn und spüre, wie mir erneut die Röte ins Gesicht steigt, obwohl er es noch gar nicht ausgesprochen hat. Ich höre sein kratziges Lachen hinter mir (vielleicht auch irgendwo neben mir. Bei Eddie weiß ich das nie so genau) und suche den Zaun nach dem Loch ab, von dem er gesprochen hat. Nach einigen stolpernden Schritten, finde ich es und Eddie klatscht hinter mir erfreut in die Hände. „Na bitte. Bist ja doch nicht so blöd, wie du aussiehst.“ Ich bewege mich nicht und starre gebannt auf den Boden, in dem sich unter dem Zaun eine kleine Kuhle gebildet hat.
„Warum gehst du denn nicht?“, fragt Eddie ungeduldig und schiebt ein paar Blätter zur Seite, um besser sehen zu können. Ich deute wortlos auf den Boden und ein seliges Lächeln klebt auf meinen Lippen. Eddies Blick folgt meinem Finger und er schnaubt belustigt, als er die kleinen Katzen sehen, die in diesem Loch zu schlafen scheinen.
„Schieb sie weg und mach, dass du voran kommst.“
Meine Augen weiten sich vor Schock, als ich seine Worte höre und ich schüttle heftig mein Kopf, sodass mein Nacken ein bedrohliches Knacken von sich gibt. „Das geht nicht.“
„Und warum nicht?“ Eddies Stimme hat wieder diesen genervten Unterton und ich frage mich kurz, ob das nur an mir liegt, oder ob er bei jedem anderen auch unter solchen Stimmungsschwankungen leidet.
„Die sind so klein.“
„Und?“
„Ich könnte sie kaputt machen“, murmle ich und spiele nervös mit dem Reißverschluss meiner Jacke.
„Du machst mich noch wahnsinnig, Johnny-Boy“, sagt Eddie und der Stoff seines Pullovers raschelt leise, als er sich umdreht und sich mit den Händen durch die Haare fährt. „Dann scheuch sie weg!“
Gerade als ich mich seinem Befehl beugen will, fällt ein Lichtstrahl direkt neben mir auf den Zaun und wandert direkt auf mein Gesicht zu, nachdem er dort ein paar Sekunden verharrte.
„Hey! Was machst du da?“, schallt eine tiefe Stimme durch die Nacht und der Strahl der Taschenlampe wird größer, als sich der Mann uns nähert.
„Fuck“, zischt Eddie neben mir. „Los, hau ab!“
Ich renne fast augenblicklich los, ohne groß Nachzudenken und verlasse mich einfach darauf, dass er schon wissen wird, was wir hier machen. So, wie ich mich schon immer auf ihn verlassen habe. Ich hetze mehrere Minuten durch die Stadt und erst das unangenehme Stechen in meiner Seite, veranlasst mich dazu, etwas langsamer zu werden und zu gucken, wo ich überhaupt gelandet bin. Die Schritte des Mannes sind schon nach wenigen Metern verklungen, doch auch Eddie kann ich nicht neben mir hören, sodass ich mich unsicher um mich selbst drehe und nach ihm rufe.
Seine Antwort bleibt aus und so streife ich den Rest der Nacht durch die Stadt, in der Hoffnung, dass er irgendwann wieder kommt. Seit seinem Unfall verschwindet Eddie oft, ohne ein Wort zu sagen und wenn er wiederkommt, meint er meist nur, ich könne schon alleine auf mich aufpassen. Ich wäre vielleicht wütend, wenn ich nicht so glücklich wäre, ihn wieder in meiner Nähe zu wissen.







Lang, lang ist's her. Dafür dieses Mal mit einem längeren Post. Ich denke, das gleicht sich aus.
Zu meiner Verteidigung: Ich habe mich in den letzten Tag (Wochen?) nicht an den Pc getraut. Wenn ich nur an die Tastatur gedacht hab', bin ich total kirre geworden. Ich hab's auch nie länger als ein paar Minuten ausgehalten, schreiben konnte ich daran schon gar nicht. (Jeder hat so seine Problemchen) .. Also hab' ich das Problem einfach handschriftlich gelöst und mich heute dazu überwunden, es abzutippen (Was sich bei meiner Sauklaue als eine sehr schwierige Aufgabe herausgestellt hat.)
Ansonsten? 'Ne Fortsetzung ist geplant, ich find' die beiden irgendwie klasse, nur mit dem Ende bin ich nicht wirklich zufrieden. Was soll's :D