Freitag, 29. März 2013

Er ist Musik

Er ist Musik.

Er ist Pink Floyd, The Beatles und eine Menge verzerrter Gitarren, die die Gedanken verdrängen und ihren Platz einnehmen. Der Kopf wird erfüllt von seiner Stimme, lautem Bass und irgendwie hat sich das Gefühl der Zufriedenheit  dazwischen gequetscht. Keine Ahnung, wo das auf einmal herkommt.

Er ist  Sicherheit.

Er lächelt, während er schweigt und klopft mit seinen Fingern den Takt seines Liedes auf den Tisch. Es sind immer seine Lieder, sobald er sich in ihnen verliert. Manchmal teilt er und die ganze Welt schweigt mit ihm, während die Musik durch den Raum tänzelt.

Papa? Ich liebe dich.





Genau einhundert Wörter, was gar nicht so leicht ist, wie es am Anfang scheint.
Es musste einfach sein, mehr gibt's dazu gar nicht zu sagen.





Sonntag, 24. März 2013

Der Krieg ist ein Künstler

Ich sitze auf meinem geliebten Dach irgendwo am anderen Ende der Welt und stelle mir vor, wie sie untergeht, die Welt. Ein lauter Knall – und weg ist sie. Die Gedanken in meinem Kopf kreischen so laut, dass ich das Gefühl habe, jeder in dieser Stadt müsste sie hören können.

Auf meinem Schoß liegt ein Buch, dessen Inhalt mir schon nach den ersten Worten scheiß egal war und der einzige, der darin zu lesen scheint, ist der Wind, der hin und wieder die Seiten umblättert.

Still genieße ich das Gewicht von Nancys Kopf auf meiner Schulter und versuche den Lärm, der durch mein Gehirn wütet, zu ignorieren. Es ist ein stiller Sommerabend und die einzigen Geräusche, die ich hören sollte, sind der Straßenlärm etliche Meter unter uns und das Lied, welches sie leise vor sich hin summt. Aber es ist zu still und seine Gedanken zu hören, ist einfacher, wenn nichts existiert, das diese Leere im eigenen Kopf auffüllen kann. Ich mag meine Gedanken nicht.

Ich werde abrupt aus meiner Welt gerissen, als Nancy ihre Stimme erhebt. Ihre Worte tänzeln träge durch die Luft und ich greife unter großer Anstrengung nach ihnen, um ihren Sinn zu verstehen.
„Der Krieg ist ein Künstler, weißt du?“

Ich ziehe skeptisch meine Augenbraue zusammen und versuche einen Blick auf sie zu erhaschen, ohne meinen Kopf zu sehr zu bewegen. Ihre von Wind zerzausten Haare bedecken den größten Teil ihres Gesichtes und dennoch bleibt mir der abwesende Ausdruck in ihren Augen nicht verborgen.

„Ein verdammt schlechter, wenn du mich fragst, aber…“ Sie spricht nicht weiter und deutet mit ihrer Hand eine wegwerfende Bewegung an. „Keine Ahnung.“

Wir schweigen etliche Minuten. Ich weiß nicht, ob sie eine Antwort von mir erwartet, also schweige ich einfach weiter, wie ich es schon all die Wochen getan habe, die wir uns jetzt kennen.

„Er malt nur Menschen mit fehlenden Gliedmaßen, eingestürzte Häuser, kaputte Straßen und zerstörte Träume, während Waffen an dem Rest Mensch radieren, der noch übrig geblieben ist.“ Sie fischt eine Zigarette aus ihrer Jackentasche und zündet sie an. Ich rümpfe die Nase auf Grund des Gestankes und werfe einen abwertenden Blick auf die Kippe. Ohne ihren Kopf von meiner Schulter zu nehmen, dreht sie sich leicht in meine Richtung und sieht mich entschuldigend an.

„Da sind irgendwie nur halbfertige Welten und viel zu viel Rot“, spricht Nancy verzweifelt weiter. Ihre Stimme wankt bedrohlich und sie scheint sich an diese Vorstellung zu klammern, wie ein kleines Kind an seine Mutter, wenn es auf fremde Menschen trifft.
Ich hadere einige Sekunden mit mir selbst, ehe ich leise sage: „Nur weil du etwas Schlechtem einen anderen Namen gibst, wird es nicht besser.“

Nancy stößt ein unsicheres Lachen aus und vergräbt ihr Gesicht an meiner Schulter. „Ich weiß. Aber manchmal wünschte ich, es wäre so.“
Ich warte wieder einen Augenblick, ehe ich zögerlich sage: „Du bist echt kaputt.“
„Ich weiß.“

Ich nicke und verfalle wieder in eisiges Schweigen, während sie mir ihre Ansichten über Krieg, Keramikpinguine und schlechtes Wetter mitteilt.





Das Schreiben fällt in letzter Zeit wieder schwerer, obwohl ich Ferien und jede Menge Freizeit habe, aber irgendwie...
Dafür lese ich wieder mehr als sonst, was auch ziemlich ins Stocken geraten ist. Keine Ahnung, wie das überhaupt passieren konnte. Es ist toll sich in anderen Welten zu verlieren und einfach mal nicht nachdenken zu müssen.
Ansonsten nichts weiter. Ich wünsche einfach mal Frohe Ostern, weil ich mich bis dahin vermutlich nicht mehr melden werde (:

Samstag, 9. März 2013

wahnhaft

„Oh, John!“, trällert Eddie in einer unnatürlich hohen Tonlage, sodass seine Stimme mehrmals ins Wanken gerät, als er meinen Namen in die Länge zieht.
„Oh, Johnny-Boy!“ Seine Worte sind so laut, als würde er direkt neben mir stehen und obwohl ich ihn nirgendwo sehen kann, habe ich das Gefühl, er würde mir seinen fauligen Atem ins Gesicht hauchen. Die aufgesetzte Fröhlichkeit, die in seiner Stimme mitschwingt, schlägt mit solcher Wucht auf mich ein, dass meine Knie unter meinem Gewicht nachzugeben drohen und sein wahnsinniges Kichern kreist ununterbrochen durch meinen Kopf, obwohl es schon längst hätte verklungen sein müssen.

„John! Oh, Johnny-Boy!“
Ich lasse mich auf den verdreckten Boden sinken und presse mich gegen die kalte Wand in meinem Rücken. Der Versuch, mich Eddies wahnhaftem Lachen zu entziehen, scheitert kläglich. Das Gesicht zu einer gequälten Grimasse verzerrt schlage ich die Arme über meinem Kopf zusammen und versuche, mich hinter meinen angezogenen Beinen zu verstecken, während Eddies Schmirgelpapierstimme weiterhin durch den Raum schallt.
Es soll aufhören. Er soll aufhören!

Ein leises Platschen lenkt mich für kurze Zeit ab, schafft es aber nicht, Eddies Stimme zu übertönen. Trotzdem dröhnt es unglaublich laut in meinen Ohren und zieht Schneisen der Verwüstung in meinem Kopf. Platsch. Platsch. Platsch! Jedes Mal, wenn die Tropfen auf den Boden fallen, klingt es, als würde ein menschlicher Körper auf den Boden aufschlagen und durch die Wucht des Aufpralls in alle Einzelteile zerrissen werden – und das Blut spritzt durch die Gegend, während sich seine Innereien zähflüssig über den Boden ausbreiten.

Eddie stößt erneut sein schepperndes Lachen aus und ein leises Wimmern gleitet kurz danach über meine Lippen. Ein Geräusch, das mir in dieser Stille, die nur ab und zu durch Eddies Rufe unterbrochen wird, unsäglich laut und durchdringend erscheint. Ich presse die Hände auf meine Ohren und versuche, meinen Kopf tiefer in meinem Schoß zu vergraben, während ich meine Augen fest zusammenkneife und mich bemühe, die verräterischen Laute zu unterdrücken, die hin und wieder aus meinem Mund kriechen, indem ich fest auf meine Unterlippe beiße.

„Johnny!“
Ich erhöhe den Druck meiner Zähne und schmecke den metallenen Geschmack des Blutes, als sich meine Schneidezähne tiefer in das weiche Fleisch graben. Mit abartig verzerrten Gesichtszügen schlage ich meine Hände fester auf die Ohren und zerkratze meine Haut, als ich versuche, Halt in meinen Haaren zu finden. Währenddessen schwillt Eddies Gekreische immer weiter an und ein heftiges Zittern packt meinen Körper, der nur noch an einen verkrampften Fleischhaufen erinnert. Dass ich dabei die Luft angehalten habe, merke ich erst, als mein Blut mit solcher Wucht durch meinen Kopf hämmert, als würde ein riesiger Lastwagen mit Höchstgeschwindigkeit an mir vorbei brettern.

Wie ein Ertrinkender schnappe ich nach Luft und presse kurz darauf beide Hände auf meinen Mund, um jegliche verräterischen Laute zu unterdrücken, die Eddie verraten könnten, wo ich bin. Erst, als ich wieder halbwegs lautlos atmen kann, wage ich es, meine Hände langsam wieder sinken zu lassen und mich am Boden abzustützen, um noch näher an die Wand zu rutschen und dort irgendwie Halt zu finden.
Ich halte mitten in der Bewegung inne, als ich mit den Fingerspitzen den Boden berühre – oder das, was eigentlich Boden sein sollte. Ein paar Sekunden hadere ich mit mir selbst, was ich mit meinen Händen anstellen soll, ehe ich sie einfach weiter sinken lasse (Scheiß drauf!) und nur wenig später eine klebrige warme Flüssigkeit spüre.

„Ich hab’ ein Geschenk für dich, Johnny-Boy“, singt Eddie und seine Rufe werden durch das Klirren von Metal übertönt – nur ein einzelner Schlag, der jedoch mehrere Sekunden durch den Raum schallt, woraufhin Eddies Lachen noch hysterischer wird. Ein leises Wimmern kriecht über meine Lippen, als meine Hände von dem klebrigen Zeug umschlossen werden, als würden dünne schleimige Finger nach mir greifen und mich in die Tiefe ziehen.
Eddie kichert, während er mit der Eisenstange gegen Wände schlägt und das Platschen weiterhin durch den Raum schallt. All diese Geräusche und die Ungewissheit bringen mich dazu, einen heiseren verzweifelten Schrei auszustoßen und kurz darauf in mich zusammenzusinken. Schluchzend schlage ich mit meinem Hinterkopf gegen die Wand und versuche mich irgendwo festzuklammern, in der Annahme, dass meine Umgebung sich zu verschieben scheint und der Boden unter meinen Füßen zusammenbricht.

Um mich herum platscht und scheppert es ununterbrochen. Eddies Stimme scheint näher als vorher zu sein und ich blinzle hilflos in die Dunkelheit, als er erneut zu sprechen beginnt. Auch, wenn ich Schwierigkeiten habe, den Inhalt seiner Worte zu verstehen, wird mir der Umschwung in seinem Ton mit der ersten Silbe klar.
Seine Schmirgelpapierstimme ist überraschend sanft und ihr kratziger Klang jagt mir kalte Schauer über den Rücken. „Sieh mich an, Johnny-Boy.“
Ich schüttle den Kopf und wische mir nervös die Hände an der Hose ab, sodass sich dunkle Schlieren auf dem Stoff bilden – mehr kann ich bei diesem schlechten Licht nicht erkennen. „Ich kann nicht“, flüstere ich.
„Doch, du kannst.“ Eddie ist noch immer vollkommen ruhig und dennoch bleibt mir der Ernst, der in seiner Stimme mitschwingt nicht verborgen. Ich schweige eine Weile, nicht wissend, was ich jetzt sagen soll, ehe mir das Platschen, das jetzt deutlich näher klingt, wieder bewusst wird. Ich atme einmal tief durch, schließe die Augen und hoffe, dass es doch endlich ein Ende haben mag.
„Ich will nicht.“
„Das ist schon wieder etwas ganz anderes, Johnny-Boy. Aber es geht nun mal nicht darum, was die Menschen wollen und da wird auch bei dir keine Ausnahme gemacht.“

Das Wimmern, das ich die letzten Minuten erfolgreich unterdrückt habe, zwängt sich beinahe unbemerkt durch meine Lippen, die ich zu einer schmalen Linie zusammengepresst habe. Eddie hat dafür nur ein humorloses Lachen übrig und fordert mich mit weitaus mehr Nachdruck wieder dazu auf, ihn anzusehen. Im Selben Atemzug wird der Raum von Licht durchflutet. Ich kneife reflexartig meine Augen zusammen und bedecke mein Gesicht mit den Armen, während ein leises Zischen meinen Mund verlässt. Ich blinzle die Tränen weg, als ich versuche, mich an das grelle Licht zu gewöhnen und kann eine Zeit lang nichts als verschwommene Umrisse kennen.

Gequält lege ich meinen Kopf in den Nacken und wische mir mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Das Gefühl, meinen Herzschlag in jedem einzelnen Teil meines Körpers zu spüren, ist stärker denn je. Selbst meine Augenlider und Fingerspitzen scheinen im Takt meines Herzens zu Beben und das rhythmische und viel zu schnelle Klopfen auf den Boden zu übertragen.
(Platsch. Platsch. Platsch!)
„Johnny-Boy“, sagt Eddie sanft und ich höre erneut das Klacken von Metall, als würde jemand mit einer Stange auf den Boden klopfen. Ich schüttle den Kopf  und habe noch immer Probleme mit der plötzlichen Helligkeit. Meinen Blick richte ich auf den Boden, um nicht direkt in die Lampen sehen zu müssen, sobald ich meine Augen aufschlage. Während ich einmal tief durchatme, wage ich es meine Augen einen Spalt zu öffnen und fixiere den Boden unter mir, der eindeutig zu rot ist. Ich blinzle ein paar Mal, ehe ich resignierend die Augen schließe und meine Lippen zu einem humorlosen Grinsen verziehe.

„Sieh mich an.“
Widerwillig suche ich den Boden nach Eddies Füßen ab und finde sie nur wenige Zentimeter vor mir. Er steht direkt in der Blutlache, in der ich vor kurzem noch mit meinen Fingern nach Halt gesucht habe. Als ich mit meinen Augen weiter nach oben wandere, begegnet mir auf halben Weg ein Tropfen, der mit rasanter Geschwindigkeit auf den Boden zurast.
(Platsch!)
„Johnny!“, fordert er mich zur Eile auf und stützt sich auf die Eisenstange, die er zuvor hinter seinem Rücken versteckt hat. Das untere Ende sieht irgendwie zerfranst aus und ich wundere mich, wie er darauf überhaupt Halt finden kann, ehe ich die getrockneten Blutspuren darauf erkenne. „Nein“, flüstere ich. „Nein, nein, nein!“ Mein Blick schnellt nach oben und mir stockt der Atem, als ich in Eddies Gesicht sehe. Ein tonloses Stöhnen verlässt meinen Mund. Seine Lippen verzieht Eddie zu einem hämischen Grinsen und entblößt somit eine Reihe blutbefleckter Zähne. Mit zerzausten Haaren blickt er auf mich runter und seine Augen, die von einem wahnsinnigen Glanz geziert werden, liegen in tiefen Höhlen verborgen.

Mit all dem hätte ich unter Umständen leben können, wenn da nicht dieses faustgroße Loch in seinem Hals wäre, aus dem sich in regelmäßigen Abständen Blutstropfen lösen und auf die Erde klatschen. Die Ränder der Wunde sehen so zerfranst aus wie die Eisenstange.
„Oh, Gott. Warum?“, frage ich heiser und beobachte Eddies blutverschmiertes Gesicht.
„Weil du mitkommen wolltest, Johnny-Boy“, gluckst Eddie und spuckt dabei Blut vor meine Füße. „Weil du es doch so unbedingt wolltest!“
Ich verziehe das Gesicht vor Ekel und fasse wieder in die Blutlache, als ich versuche von Eddie wegzurutschen, werde jedoch von der Wand in meinem Rücken aufgehalten. Er lacht erneut, als er meinen kläglichen Versuch bemerkt, lacht mich aus. Ich schüttle meinen Kopf und kneife die Augen so fest zusammen, wie ich nur kann, während ich immer wieder dieses eine Wort wiederhole. „Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein!“

Eddie lacht – lacht viel zu laut - und der Raum beginnt sich wieder zu drehen. Die Schatten kriechen aus ihren Ecken, in die das Licht der Lampen es nicht geschafft hat. Bedrohlich strecken sie ihre scharfen Klauen nach mir aus und krallen sich in meine Haut. Ich höre Eddies Lachen und habe den beißenden Geruch des Blutes in meiner Nase, schaffe es aber nicht, mich von Fleck zu bewegen. Hilfesuchend wende ich meinen Blick nach oben und treffe auf Eddies hämisches Lächeln. „Weil du es wolltest, Johnny-Boy“, ist das letzte, das ich höre, als die Schatten ihre Krallen in meinen Kopf schlagen und mich von Eddie wegziehen, sodass sein Lachen leise verklingt.





Eine Szene, die ich schon immer mal schreiben wollte, aber inhaltlich nie wirklich gepasst hat… und es auch jetzt noch nicht tut. Aber wer sind wir denn, dass wir uns von so was aufhalten lassen? Pah!
Der Titel müsste noch mal überarbeitet werden, grauenhaft. Aber mir fällt wirklich nichts besseres ein. Dafür bin ich in letzter Zeit überraschend produktiv und ich habe das Gefühl, dass ich das hier wirklich zu Ende bringen könnte. (Ich sitze schon am nächsten Teil, der den wunderbaren Arbeitstitel 'Rummelplatzleiche' trägt :D Ich find den klasse!)
... Ich mag Eddie ...