Freitag, 21. Dezember 2012

Kurz vor Grau

„Der Tee kitzelt in den Ohren“, beschwert sie sich und schiebt die dampfende Tasse von sich weg. Als sie sich in ihrem Stuhl wieder zurücklehnt, zieht sie ihre Ohrläppchen in die Länge und verzieht ihr Gesicht zu einer angeekelten Grimasse. „Das ist ja widerlich.“

Ich ziehe skeptisch meine Augenbrauen in die Höhe und sehe sie über den Rand meines Buches hinweg an. „Tee kitzelt nicht in den Ohren, Krümel“, antworte ich gelassen und stelle belustigt fest, wie sie aufgrund dieses Kosenamens ihre Nase rümpft.

„Der schon.“ Sie verschränkt beleidigt ihre Arme vor der Brust und dreht ihr Gesicht von mir weg. „Und nenn mich nicht immer Krümel.“
„Alles klar, Krümel“, sage ich und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Meine Mundwinkel rutschen noch weiter in die Höhe, als sie mir einen finsteren Blick zuwirft. Sie legt ihre Beine über die Sofalehne und wendet ihr Gesicht dem Fenster zu.

Ich schüttle lächelnd meinen Kopf und sehe sie eine Weile lang schweigend an. Sie wirft mir ab und zu einen neugierigen Blick zu, dreht sich jedoch jedes Mal schmollend wieder weg, wenn sie merkt, dass ich sie immer noch ansehe.
„Was ist das denn überhaupt für’n Tee?“, frage ich beschwichtigend und warte geduldig auf eine Antwort, die erst nach einer gefühlten Ewigkeit kommt.
„Weihnachtstee.“

 Ich nicke, richte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Buch und denke eine Weile nach. „Aber sonst stört dich doch auch nichts an dem Tee.“ Ich umgehe absichtlich ihre Formulierung ‚Er kitzelt in den Ohren’, was sie scheinbar ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen scheint und mich abschätzig ansieht.
„Normalerweise trink’ ich den ja auch im Sommer.“

„Das heißt, du trinkst Weihnachtstee im Sommer, weil er im Winter in den Ohren kitzelt?“, versuche ich diese Situation zusammenzufassen und reibe mit Daumen und Zeigefinger mein Nasenbein.
„Ja.“

Mit einem leisen Lachen schließe ich mein Buch endgültig und setze mich zu ihr auf das Sofa, um ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel zu drücken. „Manchmal frag’ ich mich echt, was ich ohne dich machen würde.“

„In dieser grauen Stadt ein graues Leben unter grauen Leuten führen“, sagt sie mit einer Ernsthaftigkeit, die ich ihr niemals zugetraut hätte. „Du bist kurz vor grau, weißt du? Und ich gebe dir etwas Farbe ab.“

Sie lächelt mich an und wirkt dabei so unschuldig wie ein kleines Kind. „Dafür bin ich dir auch sehr dankbar“, entgegne ich ebenfalls lächelnd. „Ich kipp’ den Tee dann weg?“
„Ja.“

Während ich ihr noch einmal durch die Haare streiche, richte ich mich auf und greife nach der Tasse.

Wir retten diesen Planeten
oder
Wir  zerlegen ihn in Schutt und Asche.
Mehr zählt nicht.






Nachdem mein Geschreibsel in letzter Zeit irgendwie so düster war, hab' ich mir gedacht: "Schreibst'e mal was fröhliches" Das Problem dabei war nur die Zeit, die ich meistens mit lernen und Bandprobe verbracht habe und das ich nicht sehr gut darin bin, fröhliche Sachen zu schreiben. (Ich durfte tatsächlich im letzten Block vor den Ferien noch eine Chemieklausur schreiben! Der Typ, der sich diesen Klausurplan ausgedacht hat, gehört bestraft.)
Und das war's dann auch schon wieder.

Ich wünsch' euch an dieser Stelle einfach mal Frohe Weihnachten. Gehört sich ja schließlich so.

Ende. (Und ich liebe dieses Bild irgendwie...)



Donnerstag, 6. Dezember 2012

dreckig

Erbärmlich sieht er aus, wie er im Dreck hockt und nach jedem Faden greift, der ihm auf die Beine helfen könnte – mag er noch so dünn  und unscheinbar sein. Hoffnung ist ein launisches kleines Biest, das die verdorbensten Seiten der Menschen zum Vorschein bringt.

Und manchmal fühlt er gar nichts – dann ist da nur Schwarz in ihm drin. Tosendes Schwarz, das alles andere zerfetzt und nichts als Zerstörung und Chaos hinterlässt, wenn es ihn wieder in sein Loch stößt, in dem er alleine auf den Untergang allen Lebens wartet.

Er hat es satt, kämpft sich selbstständig durch diese Welt – führt ein Leben als Abschaum im Dreck dieser Stadt, die sich kein Stück für ihn interessiert. Er bedeutet ihr nichts, sie ihm dafür umso mehr.
Er reißt die Fäden, die seinen Weg versperren, vom Himmel und zertrampelt all’ die leeren Versprechen und geheuchelten Fragen nach seinem Befinden, bis sie unter seinen Stiefeln zerplatzen, die Welt als graue Brühe überschwemmen.

[„Glaubst du es geht ihm gut?“, fragt sie ihn oft.
Er (glaubt er ist tot, von einem Wahnsinnigen zerstückelt) antwortet: „Bestimmt“, weil er es selbst nicht wahrhaben will. Ignoranz ganz groß.]*

„Er ist tot“, hat sie ihm gesagt und dieser Satz klingt so erschreckend endgültig für ihn. Ihr Blick reißt ihn ganz tief nach unten (so tief, wie er noch nie gefallen ist). Er nickt. Schluckt. Schüttelt den Kopf und kämpft weiter.

Die Leichen stapeln sich zu Bergen vor seinen Füßen und das Blut sickert durch die Straßen, durch die er erhobenen Kopfes schreitet. Beschmiert die Hauswände, tränkt den Dreck, den er sein Leben lang gefressen hat und färbt die Nacht Rot.

Er sitzt auf seinem Thron, blickt auf die Fleischhaufen unter sich und klopft sich den Schmutz von seinen Kleidern.
Auf das er niemals vergisst, aus welchen Loch er gekrochen kam.





* Weil mich dieses Stückchen einfach nicht mehr losgelassen hat. Deswegen.
Klingt irgendwie schlecht. Nicht im Sinne von "qualitativ Minderwertig" sondern von "traurig", "negativ", vielleicht sogar "böse". (Ästhetik liegt schließlich im Auge des Betrachters.)
Schönen Nikolaus euch allen noch. Ende.