Sonntag, 24. März 2013

Der Krieg ist ein Künstler

Ich sitze auf meinem geliebten Dach irgendwo am anderen Ende der Welt und stelle mir vor, wie sie untergeht, die Welt. Ein lauter Knall – und weg ist sie. Die Gedanken in meinem Kopf kreischen so laut, dass ich das Gefühl habe, jeder in dieser Stadt müsste sie hören können.

Auf meinem Schoß liegt ein Buch, dessen Inhalt mir schon nach den ersten Worten scheiß egal war und der einzige, der darin zu lesen scheint, ist der Wind, der hin und wieder die Seiten umblättert.

Still genieße ich das Gewicht von Nancys Kopf auf meiner Schulter und versuche den Lärm, der durch mein Gehirn wütet, zu ignorieren. Es ist ein stiller Sommerabend und die einzigen Geräusche, die ich hören sollte, sind der Straßenlärm etliche Meter unter uns und das Lied, welches sie leise vor sich hin summt. Aber es ist zu still und seine Gedanken zu hören, ist einfacher, wenn nichts existiert, das diese Leere im eigenen Kopf auffüllen kann. Ich mag meine Gedanken nicht.

Ich werde abrupt aus meiner Welt gerissen, als Nancy ihre Stimme erhebt. Ihre Worte tänzeln träge durch die Luft und ich greife unter großer Anstrengung nach ihnen, um ihren Sinn zu verstehen.
„Der Krieg ist ein Künstler, weißt du?“

Ich ziehe skeptisch meine Augenbraue zusammen und versuche einen Blick auf sie zu erhaschen, ohne meinen Kopf zu sehr zu bewegen. Ihre von Wind zerzausten Haare bedecken den größten Teil ihres Gesichtes und dennoch bleibt mir der abwesende Ausdruck in ihren Augen nicht verborgen.

„Ein verdammt schlechter, wenn du mich fragst, aber…“ Sie spricht nicht weiter und deutet mit ihrer Hand eine wegwerfende Bewegung an. „Keine Ahnung.“

Wir schweigen etliche Minuten. Ich weiß nicht, ob sie eine Antwort von mir erwartet, also schweige ich einfach weiter, wie ich es schon all die Wochen getan habe, die wir uns jetzt kennen.

„Er malt nur Menschen mit fehlenden Gliedmaßen, eingestürzte Häuser, kaputte Straßen und zerstörte Träume, während Waffen an dem Rest Mensch radieren, der noch übrig geblieben ist.“ Sie fischt eine Zigarette aus ihrer Jackentasche und zündet sie an. Ich rümpfe die Nase auf Grund des Gestankes und werfe einen abwertenden Blick auf die Kippe. Ohne ihren Kopf von meiner Schulter zu nehmen, dreht sie sich leicht in meine Richtung und sieht mich entschuldigend an.

„Da sind irgendwie nur halbfertige Welten und viel zu viel Rot“, spricht Nancy verzweifelt weiter. Ihre Stimme wankt bedrohlich und sie scheint sich an diese Vorstellung zu klammern, wie ein kleines Kind an seine Mutter, wenn es auf fremde Menschen trifft.
Ich hadere einige Sekunden mit mir selbst, ehe ich leise sage: „Nur weil du etwas Schlechtem einen anderen Namen gibst, wird es nicht besser.“

Nancy stößt ein unsicheres Lachen aus und vergräbt ihr Gesicht an meiner Schulter. „Ich weiß. Aber manchmal wünschte ich, es wäre so.“
Ich warte wieder einen Augenblick, ehe ich zögerlich sage: „Du bist echt kaputt.“
„Ich weiß.“

Ich nicke und verfalle wieder in eisiges Schweigen, während sie mir ihre Ansichten über Krieg, Keramikpinguine und schlechtes Wetter mitteilt.





Das Schreiben fällt in letzter Zeit wieder schwerer, obwohl ich Ferien und jede Menge Freizeit habe, aber irgendwie...
Dafür lese ich wieder mehr als sonst, was auch ziemlich ins Stocken geraten ist. Keine Ahnung, wie das überhaupt passieren konnte. Es ist toll sich in anderen Welten zu verlieren und einfach mal nicht nachdenken zu müssen.
Ansonsten nichts weiter. Ich wünsche einfach mal Frohe Ostern, weil ich mich bis dahin vermutlich nicht mehr melden werde (:

5 Kommentare:

  1. Genau dieses "sich in anderen Welten verlieren" hilft einem so oft weiter. Du grenzst alles um dich herum aus, was dich beschäftigt, traurig macht, deprimiert...und auf einmal bist du in dieser Parallelwelt und schreibst deine eigene Geschichte. "Verlierst" dich in ihr und vergisst alles um dich herum. Nur noch diese Zeilen und Du.

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    1. Und genau da liegt das Problem. Man hängt irgendwie zwischen beiden Welten fest und hat Schwierigkeiten sie zu trennen und ehe man sich versieht, gehören sie irgendwie zusammen.
      Manchmal gar nicht so schlimm.. (In diesem Fall sind's nur die Keramikpinguine, die sich rüber geschlichen haben).. aber es können auch größere Sachen sein.. Na, du weißt schon :D

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  2. Sich in anderen Welten zu verlieren, oh das Gefühl kenne ich gut. Immer mit leicht glasigem Blick unterwegs und nie aufhören zu denken... Ich hänge nie dazwischen, ich ziehe die andere Welt in meine hinüber :) Sicherlich ensteht da mal das ein oder andere Konstrukt mit bizarren Formen, aber hey... Es ist mein Konstrukt.

    Jedenfalls fällt es auch mir letztens immer schwerer noch etwas Sinnvolles aufs Papier zu bringen... Da vergräbt man sich auch gerne mal fünf Stunden in ein Buch.

    Wie immer eine sehr gelungene Geschichte und eine Flucht in eine Welt. Die Beschreibungen führen wirklich zu sehr guten Vorstellungen und ich kann die Wahrheit des Titels wohl kaum verkennen. Der letzte Absatz war mein persönliches Highlight :D

    Dann wünsche ich noch ein frohes Osterfest :)

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    1. Vielen Dank (:
      Aber wenn du die andere Welt mit in deine ziehst, wird sie doch auch ein Teil davon, oder? ... Und irgendwie gehören sie dann zusammen, denke ich.

      Ich glaube, das liegt am Wetter, dass man in letzter Zeit so träge ist. (Es ist immer das Wetter, egal worum's geht)

      Der letzte Absatz? Keramikpinguine?
      Na,egal :D
      Danke, nochmal.

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    2. Nun, anders ausgedrückt kann man ein Buch/eine Geschichte auch als eine Erfahrung bezeichnen. Und Erfahrungen haben immer einen gewissen Einfluss schätze ich. Und weil jeder andere Erfahrungen mit ein und demselben machen kann, gehört die "andere Welt" auch immer individuell zur "eigenen Welt". Jede Auffassung der "anderen Welt" mag ja anders sein und ist ein Teil der eigenen... Naja, Sache der Auslegung :)

      Jaa, genau das :D Krieg, Keramikpinguine und schlechtes Wetter :D Also ich habe gelacht ^^"

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