Mittwoch, 17. Oktober 2012

Lebensunfähigkeit


„Ich hab' viele Menschen sterben sehen, weißt du? Stück für Stück. Jeden Tag ein bisschen. Und alles, was übrig blieb, war eine leere graue Hülle, die nur noch im Entferntesten an einen Menschen erinnerte“, sagt sie und zerdrückt ihre Zigarette in dem Aschenbecher, als würde es sich um ein lästiges Insekt handeln.
Der Qualm füllt bereits das gesamte Zimmer und vermischt sich mit dem Dunst unserer Gedanken.

„Und manchmal hab' ich das Gefühl, ich bin einer von ihnen, einfach irgendwann an all diesen lächelnden Gesichtern zu Grunde gegangen.“

Ihre Stimme ist nicht mehr als ein leises Flüstern, welches sich nur schwerfällig durch die Rauchschwaden kämpft und schließlich meine Ohren erreicht. Ich sauge ihre Worte in mir auf, wie ich es schon all die Jahre gemacht habe und beobachte sie fasziniert.

„Ich frag' mich oft, wie das passieren konnte, bin doch schließlich immer weiter gegangen, immer geradeaus, aber dann bin ich plötzlich gefallen - irgendwo auf dem Weg nach unten hab' ich mich letztendlich selbst verloren", sagte sie und deutet mit der Hand, in der sie ihre Kippe hält, nach vorne, fuchtelt damit durch die Luft und zeigt auf alles und nichts zu gleich.

„Und Grund war das Übliche: falsche Freunde, ’ne Menge Selbstzweifel und der Wunsch diesen Scheiß, der sich Leben schimpft wenigstens etwas erträglicher zu machen. Hätte ja nicht ahnen können, wie das endet.“

Sie redet immer weiter, zündet sich dabei die nächste Kippe an und inhaliert den Qualm, als wäre es Luft, das einzige, was sie zum leben braucht.

„Und dann seh' ich all diese Leute und denke mir ‚Passt bloß auf, ihr scheiß Wichser! Irgendwann werdet auch ihr fallen und ich werd' da sein – nicht, um euch aufzuhelfen, nein! Ich werd' da sein und euch am Boden begrüßen!“

Ihr Wortschwall wird durch ein Husten unterbrochen und sie braucht mehrere Minuten, um
sich wieder zu beruhigen.

„Ich weiß, es ist falsch, aber irgendwie hab’ ich trotzdem das Gefühl, dass es noch immer das Beste ist, was ich machen kann.“

Ich nicke. Irgendwie hat sie ja Recht.

„Das Leben ist scheiße“, sage ich.

„Amen!“, lacht sie und greift nach der nächsten Zigarette.






Eigentlich mag ich solche Bilder nicht. Mag keine Zigaretten und keinen Alkohol. Aber irgendwie fasziniert es mich doch immer wieder und ich weiß nicht warum.
Vielleicht weil da irgendwo tief in jedem Menschen der Wunsch nach Selbstzerstörung ist.
Weiß nich’


Nancy und Sara, die zweite.
Ich mag die beiden, irgendwie.

Ende

2 Kommentare:

  1. heyho, schreibst du die ganzen Texte selbst? Wenn ja, verdammt gelungen! ; )

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  2. Ja, die sind alle von mir. Wenn nicht, dann schreib' ich's dazu (:
    Vielen Dank

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